Peking/China – Busan/Südkorea

Endlich bin ich im Stadtzentrum Pekings. Wie immer ist es nicht ganz einfach, in eine so riesige Stadt mit dem Fahrrad hineinzufahren. Die breite Straße weitet sich zu einem großen Aufmarschplatz umgeben von Absperrgittern. Auf der linken Seite Tribünen und das Tor des Himmlischen Friedens mit einem großen Bild des Staatsgründer Mao Zedong, dahinter der Kaiserpalast, die Verbotene Stadt. Rechts der Tian’anmen-Platz oder Platz des Himmlischen Friedens, weltgrößter, befestigter Platz (Fassungsvermögen 1 Mio. Menschen), flankiert vom Nationaltheater und der Großen Halle des Volkes und mit dem Mao-Mausoleum und dem Denkmal für die Helden des Volkes. Ich stoppe, um ein Foto zu machen. Sofort steht ein Zivilpolizist neben mir – hier darf ich nicht anhalten. Auf den zweiten Blick erkenne ich etliche Sicherheitskräfte in zivil entlang der Absperrgitter. In Tibet hatte ich eine Geschichte gehört, wie unlängst ein Demonstrationsversuch beendet wurde. Kaum war ein Transparent ausgerollt, waren die Leute umringt und der Platz wurde geräumt. 3 Tage später mein nächster Besuch auf dem Platz, und prompt räumt die Armee diesen. Ein Chinese erzählt mir, daß es vielleicht eine Übung ist, weil heute der Parteitag der Kommunistischen Partei beginnt, in den kommenden Tage benahe das einzige Thema in den Medien. Anschließend ein Besuch der Verbotenen Stadt.

Peking hat einige Parks zu bieten, und wie bereits in der Stadt Xi’an gesehen, ist es ein Vergnügen, so einen Park am Wochenende zu besuchen. Dann verwandelt sich dieser in eine Kleinkunstbühne. Menschen treffen sich und spielen traditionelle chinesische Instrumente, führen Opern auf, spielen Brett- oder Kartenspiele, körperertüchtigen sich mit Tai Chi, Schwertern und aerobicähnlichem Tanzen, die alten machen den jungen was am Diabolo vor. Die Attraktion ist ein großer, sehr gut singender Chor. Wer immer Lust hat gesellt sich dazu. Gesungen werden Lieder aus „der guten alten Zeit“. Größtenteils ältere Menschen sind hier aktiv. Sehr schön zu sehen, wie sie, zumindest an Wochenenden, ein reges Sozialleben haben.

Der Ersteindruck von Peking ist jedoch nicht so positiv. Zunächst die unsympathische Bekanntschaft mit chinesischen Sicherheitsregeln am Platz des Himmlischen Friedens. Dann eine moderne Stadt – Luxushotels, shopingmals mit Sportmode, Uhren, Kameras, Schuhen. Die bekannten us-amerikanischen Fastfood-Ketten sind extrem zahlreich vertreten, teilweise mit 2 Restaurants in einem Block. Damit kann ich nichts anfangen. Alles kostet ein Mehrfaches dessen, was ich von meiner bisherigen Reise durch China gewohnt bin. Ein preislich akzeptables Hotel findet sich nicht auf Anhieb. Ich lande in einem Hochhaus, zumindest sehr zentral gelegen, in einer fensterlosen Zelle. Unbehaglich, aber ist eben so bei den preiswerten Zimmern im Innern des Gebäudes, denke ich. Einige andere Dinge sind jedoch auch merkwürdig. Erst viel später realisiere ich, daß ich 3 Stockwerke unter der Erde wohne.

Heute läuft mein China-Visum ab. Auf zur zuständigen Behörde für eine Verlängerung – lange Schlange. „Sie müssen einen Nachweis vom Hotel vorlegen, wo sie derzeit wohnen!“ Zurück zum Hotel, zurück zum Amt. „Eine Verlängerung ist nicht möglich.“ In der letzten Stadt, wo ich bei gleicher Behörde war, hieß es: „kein Problem, jedoch erst, wenn das aktuelle Visum abläuft“. In Sachen Tibet-permit und Visum ist das in China ständig so, jeder hat andere Infos, selbst Regierungsbeamte sind sich nicht einig. Dabei ist angeblich alles so restriktiv. Wie man’s macht, bekommt man Ärger. Bei Visaüberschreitung stehen Strafen von 50,-€ pro Tag im Raum. Das ist so, als sagt ein Polizist: „Alles in Ordnung, weiterfahren.“ und sein Kollege schießt Dir in den Rücken. Es erfordert einige Diskussion, damit mich mein Hotel nicht auf die Straße setzt, da kein Hotel Gäste beherbergen darf, die kein Visum besitzen. In meinen bisherigen Absteigen auf dem Land hatte das jedoch wenig interessiert. Meine letzte Option ist das Vorweisen eines Ausreisetickets bis zum nächsten Tag, dann würde ich eine Gnadenfrist von 10 Tagen zum Verlassen des Landes bekommen. Ich möchte per Fähre nach Südkorea. In Peking ein Ticket aufzutreiben, daß es angeblich nur am Hafen gibt, ca. 200km entfernt, an einem Wochenende, beschäftigt mich 2 Tage. Während dessen bin ich auf einige Menschen getroffen, die sich sehr bemüht haben, mir zu helfen. Letztlich bekomme ich die 10 Tage, wovon 5 Werktage Bearbeitungszeit sind. Das reicht genau, um zur Chinesischen Mauer zu radeln, nach Peking zurückzukehren, um meinen Paß abzuholen, zur Hafenstadt Tianjin zu fahren und am letzten Tag der Frist China zu verlassen.

Nach einem Abstecher zum noch im Bau befindlichen Olympiastadion für die Spiele 2008 mache ich mich auf den Weg zur Chinesischen Mauer nach Simatai. Das größte Bauwerk der Welt (welches trotzdem nicht aus dem Weltall zu sehen ist, wie oft behauptet wird – siehe Wikipedia), ist ein System aus vielen, einzelnen Mauerabschnitten, nicht lückenlos miteinander verbunden, nicht in einer Linie stehend, zu sehr unterschiedlichen Zeiten entstanden und in Aussehen und Größe sehr unterschiedlich. An der Stelle, wo ich die Mauer besuche, windet sie sich gespickt mit Wachtürmen sehr eindrücklich über einen Bergkamm mit steilen Flanken. Aufgrund der Schwierigkeiten, die das Gelände bietet, bedarf es keiner riesigen Mauer. So ist diese an einigen Stellen nur ein 1m hoher Wall, der vor allem als Weg dient. Nur wenige Mauerabschnitte sind noch erhalten bzw. wurden wieder aufgebaut.

Im Großen und Ganzen Problemlos verlasse ich Ende Oktober China per Fähre nach Incheon nahe Seoul in Südkorea. Per Rad Nordkorea zu durchqueren ist, zumindest einem Deutschen, nicht möglich.
An meist sonnigen Tagen herrscht immer noch fast T-shirt-Wetter. Sobald die Sonne untergeht, ist es aber inzwischen fast frostig. Mein dauergebrauchter Schlafsack ist mir dabei keine große Hilfe mehr.

In Korea fahre ich zunächst in die Hauptstadt Seoul. Alles ist vorbildlich organisiert und ausgeschildert. Sofort fällt mir auf, daß mir erstmals seit langem nicht ständig jemand vor die Füße spuckt. Kaute man in Indien noch pflanzliches und spuckte dies dann in der Gegend herum, wird in China unentwegt, geräuschvoll Sputum (Rotz) aus Nasenrachenraum und Luftröhre herausbefördert.
In Seoul bin ich mit Tae Hyun verabredet. Witzig, sie hier kennen zu lernen nachdem sie während meiner Abwesenheit 8 Monate in meiner Wohnung zusammen mit Denise gewohnt hat. Wir gehen Abendessen – Hanjungsik, ein traditionelles, koreanisches Essen. Neben Reis und einer Suppe werden 21 Schalen kleiner Beilagenhappen gereicht. Obligatorisch in der koreanischen Küche ist Kimchi, Kohl.

Korea gehört zu den gebirgigsten Gegenden der Welt muß ich in einem Reiseführer lesen. Darauf habe ich gerade nicht mehr so richtig Lust. Entgegen der Annahme, daß ich einmal das Gebirge überquere und dann locker entlang der Ostküste Richtung Süden fahre, reichen die steilen Hügel bis ans Wasser. So sammle ich Höhenmeter wie im Hochgebirge.
Es gibt nette Begegnungen mit Menschen, ich werde eingeladen, was mir Einblick in koreanischen Wohnalltag verschafft, ich werde beschenkt. Auch gibt es schöne Sehenswürdigkeiten, aber Ähnliches habe ich zum Beispiel schon in China gesehen. Neu sind die unzähligen, teils in großer Dichte vorhandenen, christlichen Kirchen, die architektonisch das Thema Kirche ausgesprochen vielseitig variieren. Der Rest ist moderne Industrienation. Irgendwie fehlt es mir an Exotik. Die oft schöne Landschaft wird immer durch Lärmschutzwände, befestigte Berghänge oder Masten verschandelt. Auch wenn es dem Land nicht gerecht wird, bleibt ein wenig der Eindruck „hat man das auch mal gesehen“.

Ich erreiche Busan an der Südostküste, von wo ich nach 12 Tagen Südkorea eine Fähre nach Shimonoseki im Südwesten der japanischen Hauptinsel Honshu nehme.

Tom

Fotos zu diesem Artikel: Peking/China – Seoul/Südkorea : Fotos und Seoul/Südkorea – Busan/Südkorea : Fotos

16. Januar 2008 - Tom | deutsche Texte | Kommentare :: comments :: comentarios | Inhalt drucken

Leave a Reply

  1.  
  2.  
  3.  


deutsch :: english :: español

Rubrik :: category :: categoría

Archiv :: archive :: archivo