Kathmandu/Nepal – Lhasa/Tibet/China

Sackgasse Nepal. Wie weiter? Am liebsten durch Tibet nach China. Individuell durch Westtibet zu reisen ist jedoch nicht erlaubt. Das war vorher bekannt, aber die Dinge ändern sich, und vor Ort geht manchmal mehr. Auf jeden Fall wollte ich erstmal nach Nepal. Tibet südlich zu umfahren scheitert daran, dass man Myanmar nicht auf dem Landweg durchqueren darf – nur einfliegen, rumradeln in bestimmten Gebieten, ausfliegen (1).
Fähren von Indien nach Südostasien gibt es scheinbar seit dem Tsunami 2006 nicht mehr.
Tibet westlich und nördlich zu umfahren wäre der einzige Weg über Land – ein paar Tausend Kilometer mehr durch Pakistan und die Taklamakan-Wüste, zu dieser Jahreszeit extrem heiß, extrem trocken, unbefestigte Straße, Höhe.
So besteigen fast alle, die aus Indien und Nepal Richtung Osten unterwegs sind, ein Flugzeug.

Eine Alternative gibt es. Man kann eine Gruppenreise buchen und im Auto und mit einheimischem Führer von Kathmandu/Nepal nach Lhasa/Tibet fahren. Die von den Chinesen autorisierte Reiseagentur erledigt die erforderlichen Formalitäten. Nicht preiswerter, als ein Flug, aber so könnte ich etwas von Tibet sehen. Ich entscheide mich dafür.
Auch in China geht mehr, wenn man genügend Geld hat. Ich könnte mir einen Aufpasser-Führer an die Grenze kommen lassen, der mich im Auto begleitet – Preis: ab 4000,-US$.

„Tibet ist dicht.“, heißt es plötzlich in Kathmandu. „Die Chinesen stellen keine Genehmigungen mehr aus.“ „Mach keinen Quatsch.“ Zum Glück bin ich nicht betroffen, da meine Reisenagentur die Genehmigung für mich bereits in der Tasche hat. „China ist wie ein schlafendes Baby.“, erzählt mir jemand. „Man weiß nie woran man ist. Das Baby kann 10 Stunden weiterschlafen, oder jeden Moment aufwachen und losschreien.“ Letztlich dauert die Sperre nur wenige Tage. Anlass war angeblich ein Demonstrationsversuch weniger Leute in Peking. Unlängst hat sich die Lage um Tibet wieder verschärft, nachdem US-Amerikaner im chinesischen Everest-Basislager eine Tibet-Flagge gehisst haben und ein freies Tibet skandierten.

Eine folgt-dem-bunten-Wimpel-Reise also. 8 Tage mit Besichtigungs-Programm, Führer, aufdoktruiertem Zeitplan. Alles fängt schlecht an. Man holt mich vom Hotel ab – sehr gut, einfach – mit einem Motorrad – ah, ja. „Das Fahrrad kann nicht mit.“ „Man sagte mir, das könne problemlos auf dem Dachgepäckträger der Landcruser transportiert werden.“ „Die Autos haben keinen Dachgepaecktraeger.“ Letztlich wird es zerlegt und in den Kofferraum zwischen Rucksäcke gequetscht, was es nicht völlig unversehrt übersteht. Dann haben wir einen Führer, der alles zum ersten Mal macht, damit einige Probleme hat und wenig Englisch spricht. Schade, so bleibt manche Information zum Gesehenen auf der Strecke.
Sehr angenehm sind jedoch die Leute der Reisegruppe, 21 insgesamt aus USA, Italien, Spanien, Niederlande, Finnland, UK, Deutschland, Singapur, Korea. Nette Menschen, intelligente Gesprächspartner. Schnell ist es, also würde man mit Freunden reisen. Viel bin ich mit Simone zusammen, ein ausgesprochen unterhaltsamer Italiener. Interessant auch die Geschichte von Toni aus Singapur. Er möchte alle buddhistischen Länder bereisen. Als er überlegte, wohin es als nächstes gehen soll, träumte er, dass er einen Brief aus einem Kloster in Lhasa bekommt. Dieses Kloster steht auf dem Besichtigungsprogramm, und als wir am Ende dieser Woche dort sind, ist es sicher ein großer Tag für ihn.
Wir besichtigen 5 Kloster und Tempel. Das reicht dann auch irgendwann. So finde ich es nicht schlecht, dass ein weiterer Tempel gestrichen wird und es stattdessen ins „Tibet-Museum“ in Lhasa geht. Interessant ist zu sehen, wie das, was man als chinesische Okkupation bezeichnen könnte, die Niederschlagung eines Aufstandes mit 10000en Toten, die Unterdrückung der Religion und tibetischer Traditionen als friedlicher Zusammenschluss und Koexistenz dargestellt wird.
Ein Tabuthema ist der aktuelle, der 14. Dalai Lama. Im Museum, in Tempeln und Kloestern dürfen keine Bilder von ihm gezeigt werden.
Abschließend besichtigen wir den berühmten Potala-Palast in Lhasa – eigentlich Sitz des höchsten religiösen, tibetischen Repräsentanten, des im Exil lebenden Dalai Lamas. Streng vorgegebener Zeitplan, flughafenähnliche Kontrollen. „Nicht erklären! Weitergehen!“, fordert ein Wachmann unsere Führerin auf. Erklärungen zum aktuellen Dalai Lama sind ihr (Tibeterin) ebenfalls untersagt.
Sehenswerter als Architektur und Kunst im x-ten Tempel finde ich die Menschen – Sutras studierende Mönche, traditionell gekleidete, betende Menschen mit Gebetsmühlen und vor allem die sogenannte Niederwerfung. Man schlägt die Hände über dem Kopf zusammen, legt sich langgestreckt, flach auf die Erde, steht wieder auf und beginnt von vorn, wieder und wieder. Das kann stationär geschehen, oder man bewegt sich dabei vorwärts und umrundet den Tempel, auch in dichtgedrängten Fußgängerzonen.

Sehr schön ist die Landschaft in Tibet. Schnell geht es hoch hinaus mit Höhen bis über 5000m. Viele Teilnehmer haben damit teils arge Probleme. An einem Abend erscheinen von 21 Leuten nur noch 8 zum Essen, von denen einige mindestens leichte Kopfschmerzen haben. Ich bin wohl der einzige, der keinerlei Effekt verspürt, denn ich war vorher länger in größerer Höhe wandern. Mein Hunger ist bestens und bald habe ich mir einen Ruf als Fass ohne Boden erarbeitet. Die anderen helfen so gut sie können mit Appetitlosigkeit. Vielen Dank an alle für die tatkräftige Unterstützung dieser Reise.

Ab Lhasa darf ich allein per Fahrrad weiter. Es bleiben mir noch 19 Tage, um Tibet zu verlassen. In China-mainland kann ich mein Tibet-Gruppen-permit in ein Visum für China tauschen.

Auch einige Mitreisende führen ein weblog. Wer Lust hat, findet dort Ausführlicheres und weitere Bilder.
– Kristen aus USA – http://travelsofkp.blogspot.com – englisch
– Simone aus Italien – http://www.radiopopolare.it/ trasmissioni/tre-uomini-in-barca/mappa/diari07/asia/ simone-il-ragazzo-giusto-in-nepal – italienisch
– Doug aus USA – http://dougsbigadventure.blogspot.com – englisch
– Candace aus USA – http://candaceinnepal.blogspot.com – englisch

Tom

(1) Habe inzwischen gehört, dass es neben teuren, vororganisierten Touren in Kalkutta/Indien ein entsprechendes Visum gibt. Bleibt noch das Problem der restriktiven Grenzgebiete in Indien oder eines Bangladesch-Visums.

Fotos zu diesem Artikel: Kathmandu/Nepal – Lhasa/Tibet/China : Fotos

25. Oktober 2007 - Tom | deutsche Texte | Kommentare :: comments :: comentarios | Inhalt drucken

2 Responses to “Kathmandu/Nepal – Lhasa/Tibet/China”

  1. 1 Falk 25 Oktober 2007 @ 12:37

    Hi Tom,
    der Herbst mit seinen angenehmen bunten Seiten, frischem Wind und kühlen Schlaftemperaturen zeigt sich in hiesigen Gefilden seit ca. zwei Wochen und wird demnächst wohl den anderen Eindrücken dieser Jahreszeit den Vorzug geben müssen. Bin gespannt wie du die flachen Regionen (Süd-)Ostasiens verträgts, da du dich auf dem Dach der Welt zum Yeti gewandelt haben mußt. Auf alle Fälle freu ich mich auf weitere gutrecherchierte, vom Leben als Abenteuer erzählende Berichte und drück Dir die Daumen, dass alles bestens verläuft.
    Take care

  2. 2 Stefan 25 Oktober 2007 @ 15:19

    Hallo Tom!
    Einen schönen langen Bericht haben wir nun von Dir bekommen! Du müsstest doch schon aus China raus sein? Wie geht denn die Geschichte weiter? Vielleicht schreibst Du ja doch noch ein Buch über die vielen Leute, die Du getroffen hast?!?!

    Alles Gute und viele Gesundheit weiterhin und noch mehr Bilder aus dem Fahrradland China!

    Stefan und Tina

Leave a Reply

  1.  
  2.  
  3.  


deutsch :: english :: español

Rubrik :: category :: categoría

Archiv :: archive :: archivo