Trujillo/Peru – Huánuco/Peru

Unsere beiden Optionen für die Weiterfahrt werden uns von allen gleich beschrieben. Wir können entlang der Küste fahren auf kürzestem Weg und auf gut asphaltierter Straße, flaches Profil. Wir hätten täglich Gegenwind, und von den Schönheiten des Landes sähen wir wenig. Zweite Möglichkeit wäre, wieder in die Berge rauf zu fahren – schwere Hinterlandtour heißt es, hart zu fahrende Pisten, Pässe weit über 4000m ü. NHN, Kälte, wenig Versorgungsmöglichkeiten. Dafür lobt man die Landschaft als eine der schönsten Südamerikas. Wir haben uns entschieden.
Nach einem Ausflug an den Strand von Huanchaco, wo es die berühmten „Caballitos de Tortora“, die Tortora-Reiter, zu sehen gibt – Tortora ist der Name des Schilfs, aus dem die Fischer ihre Boote zusammenbinden – verlassen wir Luchos „Haus der Radfahrer“ und dem Plan, es mit der anstrengenderen Strecke aufzunehmen.
Von nun an mit uns unterwegs ist Alberto aus Ecuador, der mit seinem Hänger wieder gut zu uns passt (www.a-pedal.com). Erstmals treffen wir lateinamerikanische Radreisende. So sind im „Casa de Ciclistas“ neben uns 2 Argentinier, ein Chilene und eben ein Ecuadorianer. Die Nationenstatistik hier führen die Deutschen an.
Hinter dem Ort Chao, wo die Hauptstraße zum Volleyballfeld gemacht wird, biegen wir vom Asphalt ab. Um uns ist Wüste, vor uns die ersten Schuttberge. Nach einem Stück Piste, das sich besser fährt, als so manche Asphaltstraße, kommt ein hartes Stück Arbeit. Die Piste besteht aus Geröll. Man rutscht, findet keine Fahrspur, wird durchgeschüttelt. Es geht bergauf. Die Durchschnittsgeschwindigkeit liegt nicht weit über der eines Fußgängers, 80km bzw. 2 Tage lang. Die Landschaft jedoch entschädigt. Berge in allen Formen, Gestein und Sand in rot, gelb, schwarz, hellgrau, Felstunnel, nur wenige Meter breite Schluchten z.Bsp. im „Cañon del Pato“, der „Entenschlucht“, wo die beiden Hauptbergketten Wand an Wand stehen.
Ausgerechnet am ersten Tag, an dem wir wieder Asphalt unter den Rädern haben, schaffen wir ganze 17 Kilometer. Am Abend zuvor hatten wir erst in der Dämmerung einen Lagerplatz gesucht. Übersehen hatten wir, das alles mit Dornen übersät war – klein zwar, aber hart und spitz, je 4 Stück tetraederförmig angeordnet wie bei den sogenannten Krähenfüßen. Genau wie diese, funktionieren sie bestens, hauchen erst einer selbstaufblasenden Isomatte die Luft aus, dann platten sie alle drei Reifen von Alberto (Vorderrad, Hinterrad, Anhänger – bis zu 4 Löcher pro Schlauch). Der Ersatzschlauch ist bereits eingebaut, es gibt Probleme mit dem Flickzeug, dem Ventil, der Luftpumpe. Dann fahren wir 50m, dann 7km bis zum nächsten Platten. So vergeht ein guter Teil des Tages. Unterstützend demonstrieren die Bauern. Hier haben sie die Demos zwar eingestellt, ihre zurückgelassenen Barrikadenreste aus Steinen, Bäumen, Glasscherben und Dornensträuchern erleichtern jedoch nicht das Radfahren.
Die Bauerndemonstrationen sind der Grund, weshalb wir am späten Nachmittag nach einer 17-km-Etappe das Radfahren im netten Örtchen Caraz beenden. Die Bauern blockieren die Straße. Alles steht. Von unserer Idee, mit dem Rad könnten wir schon irgendwie um und über die Barrikaden, rät man uns ab. Die Bauern, sie streiken für höhere Preise beim Verkauf ihrer Produkte, seien sehr aufgebracht. Es könnte zu Auseinandersetzungen kommen, bei denen wir unsere Ausrüstung loswerden würden. Alberto ist zwar ein großes Talent beim Reden mit Leuten, was aber bei den indigenen Sprachen der Bergbauern nicht zur Geltung kommen könnte. Denise hatte so etwas bei ihrem Peru-Besuch 2003 erlebt. Auf Eselkarren über Nebenstrecken war sie unterwegs, weil die Demonstranten gewaltsam jeglichen Verkehr stoppten. Niemand wollte eine schwangere Frau ins Krankenhaus fahren, da die Autos einem Steinehagel ausgesetzt wären. Den Nachrichten entnehmen wir, dass diesmal eine Schwangere sterben musste, weil selbst Krankenwagen blockiert wurden. Wie angekündigt ist am nächsten Tag alles vorbei, keine Probleme. Nur ein paar verbrannte Autoreifen zeugen von den Vorfällen.
Vorbei an Perus höchsten Bergen in der Cordillera Blanca, schneebedeckten 6000ern, geht es höher und höher in die Berge. Tagsüber sonnig und warm, fällt das Thermometer bei Nächten über 4000m ü.NHN bis unter den Gefrierpunkt.
Die Landschaft begeistert uns vor allem wegen der Abwechslung – Wüste und farbige Mondlandschaft, Cañons, schneebedeckte, schroffe Berge, weite, tundraartige Hochflächen, grüne Berge, Berge, die mit einem bunten Flickenteppich aus landwirtschaftlich genutzten Flächen überzogen sind. Für mich ein Glanzpunkt der nunmehr fast 30000km langen Reise.
Weniger begeistern uns die Hunde. Mitlaufende kläffende Hunde sind überall ein dem Radfahrer bekanntes Ärgernis. Hier scheinen sie aber aggressiver. Erstmals auf der ganzen Reise beißen sie in die Packtaschen. Zähne fletschend rennen sie auf uns zu. An jeder Hütte ein ganzes Rudel. Nur durch das Bewerfen mit Steinen können wir sie verjagen, und wenn es eins hier noch mehr gibt als Hunde, dann Steine.
Auf dem letzten Pass vor der Stadt Huánuco blockieren nicht aufgebrachte Bauern, sondern tanzende die Straße – ein Familienfest in bunten Kleidern mit Live-Musik. Dem festen Handgriff und unnachgiebigem Ziehen einer älteren Frau, sie ist etwa halb so groß wie ich, können wir uns nicht verweigern und müssen eine Runde mittanzen.
Dann eine lange Abfahrt – 2000 Höhenmeter runter, ca. 60 Kilometer. Klingt nach einem Traum für Radfahrer, ist aber das Gegenteil, denn es geht über grobsteinige, staubige, Schotterpiste. Sind wir beim Bergauffahren oft auf der Kante zum Abgrund unterwegs, weil es dort die beste Fahrspur gibt, ist hier kein Entkommen. Trotz beherztem Abfahrtstempo, vollgefederte Liegeräder sind dabei nicht das Schlechteste, fahren wir mehr als 4 Stunden bergab, ein 4-stündiger Boxkampf, unterbrochen nur durch einen platten Reifen und einen Sturz von Denise. Bis auf einen Kratzer ist alles in Ordnung, schon ihre 2. Hose auf dieser Tour musste aber dran glauben.
Völlig staubig erreichen wir Huánuco, voraussichtlich das Ende des Radfahrens auf Piste in Peru. Erstmal Duschen, wie meistens kalt.

Tom

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19. Juli 2008 - Tom | deutsche Texte | Kommentare :: comments :: comentarios | Inhalt drucken

One Response to “Trujillo/Peru – Huánuco/Peru”

  1. 1 Stefan 19 Juli 2008 @ 21:37

    Hallo Denise und Tom,

    Danke für den schönen Bericht und die hervorragenden Bilder. Sollen es wirklich schon 30000 Kilometer sein, welche zurückgelegt wurden??? Immer wieder Hochachtung!!! Wir sind immer noch sehr gespannt auf jedes geschriebene Wort und gemachte Bild von eurer Reise; zumal nun aus Südamerika!! Schreibt schön alles auf!
    Vielleicht kann man euch „poste restante“ mal was schicken???
    Also passt auf euch auf und schont die Knochen für viele weitere Abenteuer!!!
    Alles Gute! Tina und Stefan

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