Cartagena/Kolumbien – Bogota/Kolumbien

Kolumbien – „Unser Lieblingsland auf unserer gesamten Amerikareise.“,“Das beste Land in Südamerika.“, lauten die Meinungen verschiedener Freunde. Andererseits sind Drogenhandel, Guerillas, Entführungen die einschlägigen Themen, wenn es um Kolumbien geht. Gleichzeitig eilt dem Land ein hervorragender Ruf in Sachen Gastfreundschaft voraus. Wir sind gespannt, was uns erwartet. Wie ist es in dem Land, das einer meiner besten Freunde, Maik, zu seinem neuen Zuhause auserkoren hat?

Nach ein paar Tagen in der Küstenstadt Cartagena mit schöner Altstadt und ersten Radetappen in Kolumbien erreichen wir die kleine Karibikinsel Isla Fuerte. Dort sind wir mit Maik und seiner Frau Elisa verabredet. Nachdem ich mit Maik zusammen diese Reise begonnen habe und wir 6 Monate gemeinsam unterwegs waren, sehen wir uns hier nach gut einem Jahr erstmals wieder. Die Isla Fuerte ist überschaubar groß, besitzt eine noch überschaubarere Infrastruktur, und es sind deutlich über 30ºC. Neben Baden ist so vor allem Faulenzen angesagt. Das richtige Ambiente bietet ein offener Pfahlbau mit Palmenwedeldach und Hängematten direkt am Meer.
Einen vorausgeeilten Ruf hat das Land hinsichtlich seines Angebotes an Früchten und überall daraus hergestellten Säften und Milchshakes. Es gibt so viele neue, leckere Früchte kennenzulernen – Guanabana, Zapote, Nispero, Lulo, Mamey und und und.
Nun aber wieder richtig radgefahren nach Segeltour von Panama nach Kolumbien, Pause in Cartagena und 5 Tagen auf der Insel. Entlang der Straßen massive Militärpräsenz. Unzählige Kontrollpunkte passieren wir täglich. Junge Männer, uns gegenüber immer locker und freundlich, stehen dort in voller Montur, mit großer Flinte, teilweise ausgestattet mit Sandsackbarrikaden, grösseren Geschützen und Panzerwagen in der Hitze. Was für eine Verschwendung, vor allem an Zeit junger Menschen. Es fällt mir schwer zu glauben, dass dieser Aufwand notwendig ist. Wir fühlen uns nicht unsicher – sind wir auf den Straßen, auf denen wir uns bewegen, den vom Militär kontrollierten, auch nicht. Ein anfängliches, kleines mulmiges Gefühl bei Denise ist längst verflogen. Tatsächlich gibt es aber in großen Landesteilen, in denen das Militär nicht präsent ist, keine staatliche Ordnung.
Schnell ändern sich aber auch die Dinge in solchen Ländern. Vor dem kleinen Ort Taraza kommt uns ein Polizist entgegen. Heute könnten wir nicht weiter, den Ort nicht passieren, aus Sicherheitsgründen hier nicht abends oder nachts unterwegs sein. Er eskortiert uns ins nächste Dorf zu einem Hotel. Als wir am nächsten Morgen Taraza durchqueren, sehen wir ein großes Aufgebot an Militär und martialisch aussehenden Sicherheitskräften – komplett schwarz, Visierhelm, Panzerung am ganzen Körper blockieren sie eine Nebenstraße wie in Erwartung des tobenden Mob. Vor ihnen ein Schlachtfeld mit Steinen und Unrat. Wir stoppen nicht und sehen zu, dass wir Land gewinnen. In den nächsten Tagen entnehmen wir den Medien Details des sich länger hinziehenden Konfliktes, sehen Fernsehbilder von Straßenschlachten mit Steinen, Brandsätzen, Macheten und Tränengas. Der tobende Mob sind Bauern, die illegal Koka anbauen. Die Pflanzen werden regierungsseitig vernichtet. Für die mittellosen Bauern stellen sie aber die einzige Einnahmequelle dar. Sie kämpfen schlicht um ihr Überleben.
An diesem Abend vor Taraza bleiben wir jedoch nicht in dem zugedachten Hotel. Ein 13jaehriger Junge begleitet uns eine Weile. Wenn wir gewöhnlich zelten, können wir das auf dem Grundstück seiner Familie machen. Wir übernachten also bei Walter, so der Name des Jungen, und sind begeistert, was für ein schlaues Kerlchen Walter ist. Und wir sind verblüfft, dass er als erster beim ersten Versuch mit dem Liegerad fahren kann.
Es geht in die Berge nach Medellin – mit zunehmender Höhe raus aus der Hitze, von nun an aber auch täglich Regen, denn es ist Regenzeit. Manchmal entleert sich dabei die ganze Wolkenfront auf einen Schlag. In Medellin stoßen wir auf eine 2-Rad-Messe. Unsere exotischen Fahrräder verschaffen uns kostenlosen Zugang zur Messe, wir bekommen Leute an die Hand, die sich um uns kümmern, wir bekommen ein gutes, kostenlosen Mittagessen und VIP-Ausweise, um Tags darauf wiederzukommen. Am nächsten Tag stellen wir unsere Räder mit aus, führen sie vor und gewinnen die Publikumswertung der Sonderfahrradschau. Außerdem werden wir unzählige Male interviewt von Kamerateams und schreibenden Journalisten, deren Beiträge (event.) bis nach Brasilien publiziert werden. Die Arbeit muss in erster Linie Denise erledigen, denn sie spricht Spanisch, ich nicht. Smalltalk mit vielen Leuten. Interessant ist, dass viele interessiert, ob wir uns keine Sorgen um unsere Sicherheit machen. Wir hatten vor der Reise schon gehört, dass viele Kolumbianer es sehr bedauern, das die Negativthemen das Bild des Landes zeichnen und sie um so bemühter sind, einen positiven Eindruck zu hinterlassen.
Am nächsten Tag kennt uns der eine oder andere aus dem Fernsehen. Immer wieder lustig, wie schnell wir dank unserer Räder selbst in großen Städten bekannt sind, auch ohne Fernsehen und Zeitungen. In Panama Stadt zum Beispiel hieß es: „Wo sind die Fahrräder?“, als wir zu Fuß unterwegs waren.
Aus Medellin heraus eine der steilsten Auffahrten der bisherigen Reise. Mit Rampen, die geschätzt deutlich über 15% steil sind, geht es auf den ersten 10km fast 1000 Höhenmeter nach oben. Wir haben nicht gerade das einfachste Profil durch´s Land gewählt. Nach Bergen bis über 2700m um Medellin geht es wieder runter auf 200m, um dann in´s 2600m hoch gelegene Bogota zu führen – alles mit vielen Zwischenab- und Aufstiegen. Die Auffahrt nach Bogota, 4400 Höhenmeter in der Summe, verteilen wir auf lockere 4 Tage. Elisa und Maik, sie wohnen in Bogota, kommen uns mit dem Auto entgegen. Während unserer gesamten Zeit in Kolumbien unterstützen sie uns mit Infos und Unterkünften. Eine Etappe fahren wir zusammen, und die letzten 2 Tage sind wir nur noch mit Minimalgepäck unterwegs.
Die Einfahrt nach Bogota ist entspannt, denn es ist Sonntag und somit Ciclovia. Mehrere Spuren großer Straßen sind für Radfahrer reserviert. Elisa und ihr Papa geben uns auf den letzten Kilometern Geleitschutz und haben ein Treffen mit einem lokalen Fernsehsender arrangiert. Die geben sich viel Mühe bei den Aufnahmen. Mehr als 10 Mal fahren wir die gleichen 100m an der Kamera vorbei. Der abendliche Beitrag über uns ist dann auch recht ansehnlich.
Nun werden wir einige Zeit in Bogota und Umgebung verbringen.

Tom

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7. Mai 2008 - Tom | deutsche Texte | Kommentare :: comments :: comentarios | Inhalt drucken

One Response to “Cartagena/Kolumbien – Bogota/Kolumbien”

  1. 1 Stefan 15 Mai 2008 @ 19:47

    Hallo Ihr beiden, Ihr radelt so vergnügt durch die vermeintlich gefährlichste Ecke Südamerikas und beweist wieder einmal, daß eine vorgeformte Meinung stets nur relativ ist. Ich hoffe ihr werdet weiter mit den possitiven Erfahrungen und Begegnungen reisen und weiterhin viele Leute kennelernen und zu Hause besuchen!! Zumal ihr nun bald Kultstatus im Fernsehen genießt :-) Viele Grüße auch an Maik und Elisa, wie läuft seine Arbeit und das Triathlontraining???

    Alles Gute weiterhin und (natürlich) sind die Bilder wieder sehr gut gelungen!

    Buen viaje en todos los caminos!
    Stefan

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