Busan/Südkorea – Tokio/Japan

Japan ist anders, das weiß jeder. Ich bin gespannt.
Gerade in Japan angekommen, in der Stadt Shimonoseki, komme ich mit einem älteren Herren ins Gespräch. Als er mich verläßt, halte ich seine Visitenkarte in der Hand. Ein klischeehafter Einstand, wie ausgedacht.
Nach langer Schifffahrt erst mal etwas essen und ein paar Lage-mails – ein Preisschock nach Monaten in Afrika, Indien, Nepal, China, wobei mich das nicht unerwartet trifft. Schnell merke ich aber, daß man als Selberkocher und Draußenschläfer auch in Japan gut über die Runden kommt.
Dann auf die Straße – wieder mal Linksverkehr. Fast überall gibt es Radwege. Die sind aber oft so eng, daß ich sie nicht benutzen kann. Zwischen Radweg und Straße ein Gitter. Kreuzt der Radweg eine Straße geht es über Brücken oder durch Tunnel. Die Rampen sind dabei mit Schikanen bestückt und meist so steil, daß ich kaum hoch komme. Ich muß auf der Straße fahren. So fahre ich auch auf der einen oder anderen Straße, die für Radfahrer gesperrt ist. Dabei hat mich nicht einmal jemand böse angehupt. Alle fahren so zurückhaltend und regelkonform, daß ich schon beim Überfahren einer „gelben“ Ampel an leeren Kreuzungen ein schlechtes Gewissen habe.
Ich mache eine Pause auf einem Parkplatz. Flächendeckend scheint das Land mit Automaten überzogen. Hier zähle ich 24 Getränkeautomaten nebeneinander a 10-40 Getränke. Im Supermarkt elektronische Preisschilder, man kennt das aus Visionen vom Supermarkt der Zukunft, und aus den Kühlregalen gibt es von kleinen Flachbildschirmen mit Lautsprecher hinweise, was man kaufen soll. Das klinisch reine Clo des Supermarktes hält ein WC mit beheizter Klobrille, 15 Knöpfen und 8 Kontrolllampen bereit. Japan ist so ordentlich. Und Japan ist sicher. Senioren lenken allmorgendlich als Schülerlotsen den Strom der uniformierten Schüler auf dem Weg zur Schule. Selbst die kleinste Baustelle neben der Straße, zum Beispiel ein offener Gullydeckel, wird in beiden Fahrtrichtungen massiv von Senioren in Warnwesten abgesichert. Dazu wird alles aufgefahren, was der Schilderwald, reflektierende Materialien, Winkelemente und moderne Leuchttechnik hergeben.
Was zu Japan gehört, wie Burger-Ketten zu den USA, sind Spielhallen für Slot und Paschinko, eine Art vertikaler Flipper. Unter geschickter Umgehung gesetzlicher Verbote ist es letztlich ein Glücksspiel um Geld. Überall befinden sich solche Kasinos mit großer Leuchtreklame, so daß man sich hier und da an Las Vegas erinnert fühlt.
Wie so oft sind das Reizvollste die Kontraste – meist die Kontraste zwischen Tradition und moderne. Als Hightechland mit alter Kultur, die immer noch eine wichtige Rolle spielt, scheint nach meinem oberflächlichen Eindruck dieser Spagat zu funktionieren. Drei Mal jeweils zu einem bestimmten Alter eines Kindes gibt es den optionalen Brauch, in einem Schrein eine Weihe vorzunehmen, ein Initiationsritual. Dabei stecken die Kinder in einem Kimono, dem traditionellen Gewand. Drei Jahre sind die jüngsten, die sich nicht ganz leicht tun beim Laufen in Sandalen mit 2 Riemen, die zwischen großem und zweitem Zeh zusammenlaufen, wozu Tabi(-Socken) mit abgeteiltem großen Zeh getragen werden. Der weibliche Teil der stolzen Eltern und Großeltern ist ebenfalls in einen Kimono gehüllt, zusätzlich aber mit Digitalkamera oder digitalem Camcorder ausgestattet. Ein wunderschönes, unterhaltsam anzuschauendes Schauspiel.
Die Orte, die ich gezielt zur Besichtigung ansteuere, sind Hiroshima mit den Denkmälern zum Atombombenabwurf, das Schloß in der Stadt Himeji, Osaka mit einem etwas enttäuschenden Fahrradmuseum – Initiator ist immerhin eine der weltweit bedeutendsten, hier ansässigen Firmen in der Fahrrad-Branche – und die Städte Nara und Kyoto. Diese waren beide ehemals Hauptstadt und haben etliche Tempel, Schreine, Pagoden und Paläste zu bieten.
In Nara mein zweiter Geburtstag auf dieser Reise. Ausgerechnet an diesem Tag der einzige Regentag meiner Japan-Etappe. Zwar kein Regen aber dichte Wolken an einem weiteren Tag, an dem Tag, an dem ich den Fujiyama-Vulkan passiere – höchster Berg der des Landes und wegen seiner regelmäßigen Kegelform angeblich einer der schönsten Berge der Welt. Ich sehe nichts, zumindest nicht an diesem Tag, wo ich dem Berg so nahe bin.
Ich erreiche Tokio. Das eindrücklichste dort ist die Aussicht über die Stadt, die sich aus dem 45. Stock eines Hochhauses aus etwa 250m Höhe bietet. Wolkenkratzer und Stadt bis zum Horizont.
Bevor ich Japan verlasse besuche ich Freunde von Maik – Takami, Seiki, Koutarou und Ai. Es ist immer schön, irgendwo einen Anlaufpunkt zu haben. Ein Ruhepunkt, ein kleiner Einblick in japanisches Alltagsleben. Danke für die Gastfreundschaft. Ein besonderes Ereignis wäre sicher gewesen, wäre Maik noch dabei.
Mein Japanaufenthalt ist zu Ende. Schade, das Land ist es sicher wert, näher kennen gelernt und besser verstanden zu werden.

20.11. Flughafen Tokio Narita. Ich bin am Ziel der ersten Etappe. Eine über 23000 Kilometer lange Radreise geht zu Ende, mehr als 1 Jahr unterwegs. Nicht ganz schlecht, genieße ich das Geschaffte. Ich erinnere mich an die ersten Tage der Tour im Oktober 2006, wo mir erstmals durch den Kopf ging, daß ich mir ganz schön was vorgenommen habe, vor allem zeitlich.

Die Rückreise verläuft es alles andere als reibungslos. Mit reichlich Verspätung lande ich gegen Mitternacht in Tegel – nicht völlig überraschend mit nicht mehr als meinem Handgepäck. Selbst mit dem Flugzeug eine lange Reise. Ein kleines Empfangskomitee hat sich in Teilen schon wieder auflösen müssen.

Auch wenn die Motivation bis zum Schluß gut war, bin ich glücklich, wieder zu Hause zu sein. Ich freue mich auf Familie, Freunde, die Annehmlichkeiten des Alltags, etwas Pause von der täglichen Rastlosigkeit.

Am 9.3. besteigen Denise und ich das Flugzeug Richtung Costa Rica, von wo diese Reise Richtung Südamerika fortgesetzt wird.

Tom

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8. Februar 2008 - Tom | deutsche Texte | Kommentare :: comments :: comentarios | Inhalt drucken

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