Addis Abeba/Äthiopien – Moyale/Äthiopien

In Addis ist also wieder Organisatorisches zu erledigen – Visaangelegenheiten. Das schwierige ist, dass alles in US-Dollar bezahlt werden muss. Selbst die äthiopische Behörde akzeptiert die Landeswährung nicht – toller Vertrauensbeweis in die eigene Währung und Wirtschaft. US-Dollar abheben geht nicht. Landeswährung in Dollar tauschen ginge nur unter Vorlage eines Flugtickets, das wir nicht haben. Zum Glück haben wir noch Dollar-Barreserven. Für den Rest bleibt nur der unlukrative Schwarzmarkt, der sich gleich vor dem Behördenkomplex angesiedelt hat. Wenigstens befindet sich in Addis Abeba in einem Luxushotel der einzige Bankautomat des Landes, der es ermöglicht mittels Kreditkarte Geld zu bekommen. Soviel an Infos für Äthiopien-Reisende.
Wir schauen beim Goethe-Institut vorbei, das dankenswerter Weise als Postannahmestelle für Ersatzteile dient, und wir besuchen Lucy im Nationalmuseum, bzw. das, was nach 3,2 Millionen Jahren von ihr übrig ist.
Ansonsten sind wir deutsch Essen, mehr oder weniger, eingeladen von Christof, einem Siemens-Mitarbeiter, der sich mal wieder mit Deutschen unterhalten möchte, die nicht für Siemens oder die deutsche Botschaft arbeiten. Außerdem können wir jeder kostenlos einen Anruf in die Heimat absetzen, in Äthiopien auch keine leichte und sehr teure Angelegenheit.

Nach 4 Tagen verlassen wir Addis Abeba. Zunächst heißt es Daumen hoch, und „Bravo“-Rufe schallen uns entgegen. Mit etwas Abstand zur Hauptstadt, die sich in Sachen Wohlstand, Bildung, Infrastruktur sehr offensichtlich vom Rest des Landes abhebt, hängt sich Äthiopien noch mal rein, um seinem schlechten Ruf gerecht zu werden. Wenigstens werden keine Steine mehr geworfen.
Zügig wollen wir die letzten Etappen zur kenianischen Grenze hinter uns bringen. Leider geht es Maik zwischendurch sehr schlecht – Arztbesuch, Antibiotikabehandlung, 1,5 Tage Pause. Außerdem haben wir das Streckenprofil unterschätzt. Ein ständiges Auf und Ab kostet uns Kraft.
Seit Addis Abeba gibt es auch immer mal Regen. Bisher hatten wir ja beinahe Null Niederschlag.

Eines Abends landen wir in einem kleinen Dorf, wo wir die Nacht im „Hotel“ verbringen. Beim Candle-Light-Dinner, Strom gibt es keinen, ist ein Englischlehrer unser Begleiter. Nicht das erste Mal treffen wir Englischlehrer, mit deren Sprachkenntnissen man bei uns um seinen Schulabschluss fürchten müsste. Dieser ermöglicht es uns, am nächsten Tag eine Schule zu besuchen. Einfache Hütten, Klassenstärken, so erzählt man uns, von bis zu 100 Schülern, großes Altersspektrum innerhalb einer Klasse. Die Tafel ist englischsprachig mit Chemieinhalten, scheinbar aus einem Lehrbuch abgeschrieben, gefüllt. Von den Schülern scheint jedoch niemand Englisch zu verstehen. Unser Englisch lehrender Begleiter versteht das Tafelgeschriebene wiederum inhaltlich nicht, muss nachfragen, um welches Fach es sich handelt, was sehr offensichtlich ist.
Ein Dilemma ist, dass die Menschen zunächst ihre Stammessprache sprechen. Amtssprache ist Amharisch, eigentlich auch nur eine beliebige andere Stammessprache. Die Lehrbücher sind englischsprachig und werden vom Lehrer Teils ins Amharische, für die Schüler meist schon Zweitsprache, übertragen.
Dazu kommt das sehr schlechte Bildungsniveau schon bei den Lehrern. Der Horizont unseres Lehrers endet in der ca. 150km entfernten Universitäts“stadt“. In der knapp über 400km entfernten Hauptstadt war er noch nie.

Wie in jenem Dorf, wo wir die Schule besuchen, können wir an verschiedenen Stellen nicht fassen, wie die Menschen leben und ihren Alltag bewältigen, ohne das wir ein Gefühl wirklicher Not oder Hunger haben. Wir sehen barfüßige, in Säcke gekleidete Bäuerinnen, steinzeitliche Arbeitsweisen der Feldbewirtschaftung. Wir sehen Menschen, deren Arbeit darin besteht auf der Erde zu hocken, große Steine von einem Haufen zwischen ihre nackten Füße zu nehmen und mit einem Hammer zu kleinen Steinen eines zweiten Haufens zu transformieren.
In Baha Dar, nördlich von Addis Abeba, sind wir zum Kaffee eingeladen von einem kleinen Jungen, der mir mehrfach über den Weg läuft und der ganz nett und clever ist. Abends bringt er uns zu seinem Haus. Lehmstraßen mit ärmlichen Hütten zwischen denen Feuer lodern. Mittelalterliche Stimmung. Er bewohnt mit seiner Mutter einen einzigen Raum von ca. 2,5×4m, Blechdach, Blechtür, kein fester Fußboden, kein Wasser, kein Strom, überschaubarer Hausrat. Im Kerzenschein sitzen wir zusammen. Das durchgeführte äthiopische Kaffee-Prozedere beinhaltet verschiedene Aufgüsse und nimmt einige Zeit in Anspruch.

Landschaftlich bietet der letzte Abschnitt noch einiges. Beschattet von Bananenpflanzen wird in den Hochlagen Kaffee angebaut. Als mit abnehmender Höhe die Vegetation lichter wird, stehen unzählige Termitenbehausungen in der Landschaft und lassen diese wie ein Skulpturenpark erscheinen.

Kurz vor der Grenze treffen wir ein Radfahrer-Pärchen, das schon 9 Jahre unterwegs ist. Die beiden versorgen uns mit einigen Tipps für die hinter der Grenze und vor uns liegenden Pistenkilometer. Mit das Schlimmste, was sie gefahren sind, bei ihrer Erfahrung.
Von diesem Treffpunkt an wird es ruhiger an der Strecke. Gab es in der letzten Zeit keinen Punkt, wo wir ungestört waren, können wir nun auch wieder draußen schlafen.

Wir sind froh, in Moyale das Land zu verlassen, das uns Nerven gekostet hat, das uns jegliche Hoffnung genommen hat, dass in absehbarer Zeit hier Standards herrschen, die für uns angemessen erscheinen, das uns landschaftlich sehr gefallen hat. Wir haben uns sicher und in Preisangelegenheiten fair behandelt gefühlt.

Auf nach Kenia!

P.S.: Noch ein Nachtrag zum Pistenabschnitt auf unseren ersten Äthiopien-Kilometern, um noch etwas positives hervorzuheben. In der Dämmerung und ohne Möglichkeit noch Zivilisation am gleichen Tag zu erreichen, halten hintereinander 2 Fahrzeuge und man schenkt uns Wasser. Ein anderes Mal schenkt man uns Bananen. Sehr freundlich.

Tom

Fotos zu diesem Artikel: Addis Abeba/Äthiopien – Nairobi/Kenia : Fotos

11. April 2007 - Tom | deutsche Texte | Kommentare :: comments :: comentarios | Inhalt drucken

One Response to “Addis Abeba/Äthiopien – Moyale/Äthiopien”

  1. 1 david 13 Juni 2009 @ 23:48

    da scheint ihr ja nicht unbedingt ein gutes Bild von äthiopien mitgenommen zu haben. für mich ist äthiopien das absolut genialste land auf planet erde und ich denke, man muss sich nur in die kultur reingeben.

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